CHEMNITZ 2025
Oper
Preisträger und Preisträgerinnen 2025
Matthias Schweighöfer: aus Karl-Marx-Stadt in die Welt
„Unverschämt begabt“ – so lobte Laudatorin und Schauspielkollegin Teresa Weißbach den ersten Europäischen Kulturpreisträger Matthias Schweighöfer, der als einer der ersten Stars am Roten Teppich besonders von den Chemnitzer Fans gefeiert wurde. Denn in der Europäischen Kulturhauptstadt gewann er nicht nur den begehrten Preis, sondern auch ein Heimspiel: Vom Karl-Marx-Städter Schultheater aus hatte er es einst in rasender Geschwindigkeit auf die internationalen Kinoleinwände geschafft, wurde damit zu einem der vielseitigsten Talente auf der Bühne und vor allem vor der Kamera. Unter den wachsamen Augen seines ersten Schauspiellehrers aus der Chemnitzer Schulzeit nahm er den begehrten Preis entgegen und bedankte sich mit einem nachdenklichen Rückblick auf seinen zehn Jahre währenden Aufenthalt in der Stadt: „Kultur entsteht nicht da, wo alle gleich denken, sondern Kultur entsteht, wo jemand gelernt hat, anders zu sein.“
Dresdner Kreuzchor: Weisheit und Tradition in ewiger Jugend
Musikjournalist und -pädagoge Malte Arkona hätte es in seiner Laudatio für den diesjährigen Nachwuchspreisträger besser nicht auf den Punkt bringen können: „Der Dresdner Kreuzchor hat sich immer wieder neu erfunden, hat viele stürmische Zeiten erlebt. Und er verbindet das Schönste, was Dresden zu bieten hat – Kultur, Kreativität, Charakter“. Das mehr als 800 Jahre alte Ensemble, das ewig jung bleibt, gehört nicht umsonst zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. „Ihr Kruzianer habt verstanden, dass der Lauteste eben nicht der Wichtigste ist, sondern dass ein Miteinander nur durch Zuhören funktioniert.“ Das betonte auch Kreuzkantor Martin Lehmann in seiner Dankrede, die sich vor allem an die institutionelle Kulturförderung richtete und den Preis als „Würdigung jedes singenden Kindes“ verstanden wissen wollte: „Wenn man einander zuhört, ist es möglich, ein Miteinander zu finden.“
Katarina Witt: ein Leben für den Sport
Bereits 2021 stand Katarina Witt in Bonn beim Europäischen Kulturpreis auf der Bühne – als Laudatorin für Till Brönner. Nach Chemnitz kehrte sie vor den Augen ihrer Familie als sichtlich bewegte Preisträgerin zurück: ausgezeichnet für ihre einzigartige Karriere und ihr jahrzehntelanges gesellschaftliches Engagement mit ihrer eigenen gemeinnützigen Stiftung. „Carmen“ auf dem Eis – und im Leben ein Vorbild. Die Ehrung wurde ihr von einem besonderen und langjährigen Weggefährten überreicht – Brian Boitano, Olympiasieger und Freund, mit dem sie weltweit die Geschichte des Eiskunstlaufens geprägt hat. Dass dieser Moment in ihrer sportlichen Heimatstadt Chemnitz stattfand, war ein ganz besonderer Moment, der sowohl das Publikum als auch die Preisträgerin selbst zu Tränen rührte. Denn für Kati Witt war es auch ein Nachhause-Kommen: Sie vergaß nicht, ihren Eltern, Lehrern, Trainern und Pädagogen zu danken, die ihr frühes Leben im damaligen Karl-Marx-Stadt prägten – der diesjährigen Kulturhauptstadt.
DJ Purple Disco Machine: auf dem Boden gebliebener Weltstar
„In der Welt eine Riesennummer und immer noch charmant“: So treffend fasste Laudator und Musikerkollege Friedrich Liechtenstein zusammen, was internationale Fans an DJ Purple Disco Machine schätzen. Der Sound von Tino Piontek bringt nicht nur Clubs zum Beben, sondern exportiert sächsische Kreativität in die ganze Welt. Der ehemalige Koch spielt heutzutage Konzerte vor 70.000 Menschen, hat 37 Platin- und 14 Goldene Schallplatten im Regal – und ist doch auf dem Boden geblieben. Denn obwohl der 44-Jährige aus bescheidenen Dresdner Verhältnissen längst mit anderen internationalen Stars wie Elton John, Britney Spears oder den Rolling Stones riesige Weltbühnen teilt, bleibt sich der zweite sächsische Grammy-Gewinner der Geschichte stets treu. Sein Erfolg ist trotzdem – oder gerade deswegen – gigantisch, auch wenn er nicht viel auf Äußerlichkeiten gibt. Die Gratulation zum Preis gab er an die Europäische Kulturhauptstadt zurück: „Ich freue mich auch für Chemnitz, das sonst immer im Schatten von Leipzig und Dresden steht. Und ich danke meiner Frau, dass sie mich an unserem Hochzeitstag hierher begleitet hat.“
Anna Rakitina: Meisterin in einer Männerdomäne
Mutig, modern, meisterhaft – und immer noch eine Männerdomäne: Die Kulturpreisträgerin Anna Rakitina steht für eine neue Generation am Pult und ist bei vielen bedeutenden Orchestern der Welt zu Gast. Zum wiederholten Mal stand sie nun auch vor der Robert-Schumann-Philharmonie, mit der sie gemeinsam als Gastgeberin der Europäischen Kulturpreisgala den Opernsaal begeisterte. Laudatorin Maren Eggert, die als Schauspielerin schon selbst in die Rolle einer Dirigentin schlüpfte und dafür extra Unterricht nahm, würdigte vor allem das lebenslange Lernen vom Instrument zum Pult: „Annas Resonanzkörper ist nicht ihr eigener Körper, sondern ein ganzes Orchester, und sie macht uns vor, wie lang der Weg einer Dirigentin wirklich ist.“ Anna Rakitina schloss ihr Dirigierstudium in Hamburg und promovierte zugleich in Musikwissenschaft. Schnelle Erfolge erzielte sie nach diversen Meisterklassen und erfolgreichen Wettbewerbsauftritten als Assistenzdirigentin beim Boston Symphony Orchestra. Seitdem ist sie bei hochrangigen Orchestern auf der ganzen Welt zu Gast und arbeitet mit erstklassigen Solisten zusammen. Ihre große Leidenschaft gilt der zeitgenössischen Musik.
Joseph Calleja: der strahlende Tenor aus Malta
Ein Tenor, der berührt – mit Stimme, Haltung und Herz. Der maltesische Startenor Joseph Calleja wurde in Chemnitz mit dem Europäischen Kulturpreis für Musik ausgezeichnet – überreicht von seiner Landsmännin Nicole Frendo, die einst selbst als Kind in seinem Chor sang und sich bis heute von ihm inspiriert fühlt. „Du hast für die maltesische Kultur immer eine besondere Rolle gespielt!“ So schloss sich auf wundersame Weise der Kreis künstlerischer Verwandtschaft. Nicht zuletzt steht Calleja sowohl für höchsten künstlerischen Anspruch als auch für soziales Engagement und Förderung des musikalischen Nachwuchses – Werte, die auch das Europäische Kulturforum seit Jahr und Tag mit Leidenschaft teilt und unterstützt. Calleja fühlte sich sichtlich geehrt und unterstrich die „große Bedeutung der Kultur in surrealen Zeiten wie diesen“.
Reinhold Messner: nicht die Berge, sondern den Menschen bezwingen
„Der Berg ist schon die größtmögliche Bühne, er braucht keine Inszenierung.“ Diesen Satz von Kulturpreisträger Reinhold Messner zitierte „Bergdoktor“ Hans Sigl in seiner Laudatio auf seinen Freund nur zu gern. Er würdigte Messner als „einen der größten Sportler seiner Zeit, der die Kultur der Bergsteiger entscheidend verändert hat; der dafür sorgte, dass wir unsere Natur heute als Teil unserer Kultur verstehen, was uns gemahnt, die Erde einfach Erde sein zu lassen“. Immerhin setzte Messner als erster Mensch, der alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestieg, neue Maßstäbe in einer Disziplin, die Mut, Ausdauer und Demut vor der Natur erfordert. Ihr widmet er seit vielen Jahren sein ganzes Engagement. Der wohl berühmteste Bergsteiger der Welt Südtirol nutzte denn auch die Gelegenheit, auch auf der Chemnitzer Bühne für die Bewahrung der Schöpfung zu werben, und ermahnte die Menschheit, sie sich nicht zu eigen zu machen, wie es derzeit zum Beispiel am Mount Everest geschehe. Nicht die Berge könnten wir bezwingen, sondern die Menschen. Und nur richtiges Bergsteigen ohne touristischen Mummenschanz sei „die einzige Möglichkeit des Menschen, der ungezähmten Natur zu begegnen“.
Olga Peretyatko: Primadonna mit Anspruch
Olga Peretyatko verzaubert und überzeugt – noch bevor der erste Ton erklingt. „Früh schon lernte sie, sich durchzuboxen“, attestierte Laudator und Juwelier Georg Leicht der Petersburger Sopranistin, die in ihrer Heimat zunächst Chorleitung studiert und sich erst später für ein Gesangsstudium in Deutschland entschieden hatte. Seitdem ist die echte Primadonna an allen Bühnen der Welt zwischen Wien und New York zu Hause und begeisterte das hingerissene Publikum auf der Chemnitzer Bühne mit einer Arie aus Mozarts Oper „Don Giovanni“. Mit halb demütigen, halb nachdenklichen Worten bedankte sie sich in ihrer kurzen Dankrede für die Ehrung im europäischen Geist und gab einer wichtigen Hoffnung Ausdruck: „Unsere Verantwortung als Künstler ist die Verständigung zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen, um Frieden zu schaffen.“
Die Robert-Schumann-Philharmonie: vom Gastgeber zum Preisträge
„Wenn Robert Schumann das gewusst hätte, dass das 1833 zu seinen Lebzeiten gegründete Orchester mal nach ihm benannt werden würde, immerhin eines der ältesten Orchester Deutschlands!“ Eine sichtlich begeisterte Laudatorin Katrin Weber überreichte der Robert-Schumann-Philharmonie als Gastgeber des Abends nach dem ECHO 2009 nun den Europäischen Kulturpreis des Jahres 2025. Intendant und Hausherr Christoph Dittrich nahm den Preis stellvertretend für den hochgeehrten Preisträger entgegen. Konzertmeisterin Heidrun Sandmann-Poscharsky dankte „unheimlich stolz und voller Hoffnung für eine vor allem nicht stille Zukunft“. Mit mehr als 180 Aufführungen und zehn Sinfoniekonzerten pro Saison ist die Robert-Schumann-Philharmonie weit mehr als das Hausensemble der Chemnitzer Oper. Als Orchester von internationalem Renommee prägt sie das kulturelle Leben ihrer Stadt und weit darüber hinaus.
Alphaville: Frontmann Marian Gold begeistert von Chemnitz
Über 70 und kein bisschen müde: Aus jeder Ecke am Roten Teppich musste Alphaville-Frontmann Marian Gold Autogrammwünsche erfüllen, auf alten, gut gehüteten Plattencovern unterschreiben und für Selfies zur Verfügung stehen. Eine große Freude für den langgedienten Sänger mit über 40 Jahren Bühnenerfahrung. Bei der Kulturpreisverleihung gab er aber auch ein großes Kompliment an die Gastgeber aus Chemnitz zurück: „Was ich heute Abend über diese Stadt erfahren habe, übersteigt bei weitem meine ursprüngliche Vorstellung. Es ist schön in Chemnitz!“ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bescheinigte der in der Kulturhauptstadt preisgekrönten Band in seiner Laudatio, Vorbild für viele Menschen gewesen zu sein. Gerade in den Zeiten des Kalten Krieges, in denen sie mit Hits wie „Forever Young“ oder „Big in Japan“ ihre frühen Welthits landete. Denn sie hat nicht nur den Sound einer Ära geprägt – sie hat Popmusik mit Sehnsucht nach einer besseren Welt aufgeladen. Ihre Musik ist Erinnerung und Aufbruch zugleich – und bleibt, was sie immer war: einzigartig. „Ein unvergessener Sound aus einem goldenen Zeitalter“, bilanzierte der Ministerpräsident.
Michael Ballack: aus Karl-Marx-Stadt in die bundesdeutsche Nationalmannschaf
„Eine Mischung aus Gentleman und Gladiator“ – besser hätte es Fußball-Legende Reiner Calmund in seiner Laudatio auf den Europäischen Kulturpreisträger Michael Ballack wohl kaum sagen können: „Du bist nicht nur ein großer Fußballstar gewesen, sondern du bist immer noch ein europäischer Charakterkopf.“ Im damaligen Karl-Marx-Stadt hatte Ballacks Karriere beim heimatlichen FC einst begonnen, bevor er bei Bayern München, Chelsea und als Nationalmannschaftskapitän Weltkarriere machte. Entsprechend „emotionalisiert“ zeigte sich Michael, dass er den Europäischen Kulturpreis in seiner Heimatstadt bekam: „Hier bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen, hier habe ich mein erstes Tor geschossen, hier habe ich aber auch meine Erziehung genossen, Disziplin und Widerstandsfähigkeit gelernt.“ Ein ganz besonderer Moment – sowohl am Roten Teppich wie auch auf der Chemnitzer Bühne des Europäischen Kulturpreises. Nicht nur für Fußballfans. Sondern für alle, die Sehnsucht nach großen Vorbildern haben, die auf dem Boden geblieben sind.