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ZÜRICH 2022

Tonhalle

Preisträger und Preisträgerinnen 2022

Das Tonhalle-Orchester Zürich – Der Gastgeber als Preisträger

Als Gastgeber hieß das Tonhalle-Orchester Zürich seine europäischen Gäste herzlich willkommen. Zusammen mit seinem Music Director Paavo Järvi erhielt es den Europäischen Kulturpreis aus den Händen von SRF-Direktorin Nathalie Wappler. Sie würdigte vor allem, dass das Orchester nicht nur neues Publikum im Industriequartier seiner Heimatstadt gewonnen habe, sondern auch mitten in der Corona-Pandemie seinen heimatlichen Konzertsaal, eben die berühmte Tonhalle, renovieren konnte. Der Spitzenklangkörper habe „keine Angst, Populäres mit Zeitgenössischem zu verbinden“, und seine Musik rufe in Erinnerung, „was wir dringend brauchen: zuhören, aufhorchen, die eigene Wahrnehmung schulen“. Den Geist des Abends verdeutlichte Järvi in besonders eindrucksvollen Worten angesichts der vielfältigen Krisen auf der Welt: „Ein Sinfonieorchester ist ein gutes Beispiel, wie wir unsere Gesellschaft modellieren könnten: Hier sind 32 Nationalitäten vertreten, hoch talentiert, professionell und voller Respekt. Nie ist es für mich als Esten wichtiger gewesen als in diesen Zeiten, ein Europäer zu sein.“

Mario Adorf – Europäischer Kulturpreis für ein schillerndes Lebenswerk

Am Anfang stand eine Beichte: „Ich war sehr lange einer deiner größten Groupies“, himmelte Iris Berben ihr größtes Idol an. „Du liebst die Menschen, und das ist vielleicht eines der größten Geheimnisse, warum die Menschen dich lieben.“ Regelmäßig ehrt das Europäische Kulturforum auch Künstler außerhalb der Musikszene, die in ihren Genres eine besondere Stellung einnehmen. So wurde mit Mario Adorf eine einzigartige Schauspiellegende für ihr Lebenswerk geehrt. Seine Vorbildwirkung für ganze Schauspielergenerationen erfuhr eine besondere Würdigung vor einem dankbaren Publikum. Dabei hatte es Adorf nie leicht mit seiner Heimatstadt: Vor ziemlich genau 92 Jahren in Zürich geboren, wuchs der Junge an existenziellen Erfahrungen wie Angst und Hunger. Doch kehrte er zurück, wurde Statist und Regieassistent am Theater und erlebte seinen großen Durchbruch. Dass er ausgerechnet in Zürich für sein Lebenswerk geehrte wurde, erfüllte Mario Adorf mit großer Dankbarkeit, denn hier „fielen drei nicht alltägliche Ereignisse für mich zusammen“ – Geburt, Studium und Entdeckung. In einer bewegenden Rede bescheinigte er seiner Heimat, „nicht nur im Herzen Europas, sondern auch mit dem Herzen in Europa“ zu liegen, und das „in der schwersten Krise seit dem 2. Weltkrieg“.

Die Toten Hosen – 40 Jahre Power-Rock

Bei ihrer Gründung waren sie allesamt noch Schüler: die feschen Jungs der Toten Hosen. Erstmals traten die Power-Rocker zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum gemeinsam mit dem Tonhalle-Orchester auf und landeten mit ihrer sinfonischen Fassung ihres Hits „Alles aus Liebe“ eine Weltpremiere in Zürich. Leadsänger Campino dankte für einen „berührenden Abend“: „Hier versammelt sich so viel Klasse in einem Raum, dass wir sie gerade nach zwei Jahren Corona besonders wertschätzen.“ Laudator Jan Weiler bescheinigte den Musikern, „totale Künstler zu sein – ohne Studium oder Ausbildung“, die sich ihre großen Fähigkeiten autodidaktisch angeeignet hätten. „Irgendwie seht ihr aus, als wärt ihr seit 40 Jahren auf Klassenfahrt, die nie endet.“ Ausgezeichnet wurden die Toten Hosen aber nicht nur für ihre beispiellose Karriere, sondern für ihr gesellschaftliches Engagement, denn sie verschaffen sich seit vielen Jahren Gehör und beziehen klar Stellung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus.

Nigel Kennedy – Ein Grenzgänger und Brückenbauer

Er ist das wohl am meisten geliebte Enfant terrible der Musikzunft und zugleich ein Teufelsgeiger: Nigel Kennedy erhielt den Europäischen Kulturpreis für Musik, die permanent Grenzen überschreitet. Der berühmte Engländer versucht seit Jahr und Tag, die Grenzen zwischen Klassik und Popularmusik einzureißen, so wie er sich stetig dem Abbau von anderen Barrieren aller Art widmet – ob in Bezug auf Länder, Menschen, oder Geschlechtern. In seiner Dankrede beschwor Kennedy das Verbindende der Musik, deren Zustandekommen „viel mit Inklusion zu tun“ habe. Fernsehjournalist Max Moor hob in seiner Laudatio Kennedys Freiheitsdrang hervor, der sein Selbstbewusstsein durch die Liebe zur Musik zum Scheinen gebracht habe. „Seine musikalische Abenteuerreise will nie enden – sie ist einfach nur da, wie eine echte Liebe.“

Claudia Cardinale – Das große „CC“ in der Kinowelt

Sechs Jahrzehnte ein erfülltes Schauspielerleben: Eigentlich hatte Claudia Cardinale ja von Tunis aus die Welt entdecken wollen, doch durch einen Zufall wurde die „schönste Italienerin von Tunesien“ auf einem Filmfestival für eine Schauspielerin gehalten und begann eine 60 Jahre währende Ausnahmekarriere. Für dieses vorbildhafte Lebenswerk wurde die Cardinale mit dem Europäischen Kulturpreis ausgezeichnet, nicht ohne die immer noch zahllosen Fans am Roten Teppich mit einem wahren Autogrammregen beglückt zu haben. Im Saal der Tonhalle ließ ihre Laudatorin Maria Furtwängler Cardinales ganze Karriere vorüberziehen, die mit charmanten jungen Heldinnen begann und auch bei großen Hauptrollen in Hollywood noch lange nicht beendet war. Doch Claudia Cardinal war viele Jahre auch UNESCO-Botschafterin für Frauenrechte und nutzte jede Gelegenheit, sich für die Gleichberechtigung von Frauen einzusetzen. Auch das nötigte ihrer Kollegin Furtwängler höchsten Respekt ab: „Sie haben uns Frauen ermutigt, stark zu sein.“

Camilla Nylund – Ein Leben für die Oper

Wenn es eine Musikerin gibt, die ihr Fach auch theoretisch bis ins Letzte durchdrungen hat, bevor sie auf die Bühne trat, dann die schwedisch-finnische Sopranistin Camilla Nylund. Ihre außergewöhnliche Karriere begann nach ihrem musikwissenschaftlichen Studium, dafür aber umso steiler. Schnell arbeitete sich die dramatische Sopranistin zur absoluten Wagner- und Strauss-Spezialistin empor und ist heute an den bedeutendsten Bühnen auf der ganzen Welt zu Hause. Matthias Schulz, derzeit noch Opernintendant in Berlin und demnächst in gleicher Funktion in Zürich, ließ in seiner Laudatio keinen Zweifel an seiner Bewunderung aufkommen: Die Nylund sei ein „Naturereignis“, ihre Stimme habe einen solch „warmen Klang und eine Höhe, die immer rund bleibt“, dass sie immer im Gedächtnis bleibe. Nylund selbst bedankte sich für die Ehre und sprach aus, was viele Künstler wissen: dass der „Freudentaumel des Publikums jede Mühe lohnt“ und das „Elixier der Zuneigung unser Doping“ sei.

Sir Bryn Terfel – Das Stimmwunder aus Wales

Brit Award, Echo Klassik, Grammy und obendrauf der Titel eines Kammersängers – Sir Bryn Terfel ist nicht umsonst für seine künstlerische Vielseitigkeit und Qualität geadelt und in den Orden des Britischen Empires aufgenommen worden. „Eine Stimme, die uns als Hörer süchtig macht“ – kann es ein schöneres Kompliment für einen Künstler geben? Aus dem Munde des Zürcher Opernintendanten Andreas Homoki, der wahrhaftig viele Sänger gehört hat, nahm es sich besonders ehrenvoll aus, und Terfel tritt nicht nur weltweit, sondern damit natürlich auch in der Schweizer Kulturmetropole in mehreren Produktionen auf „Schön, dass ich den Preis gerade hier bekomme“, bedankte sich der Ritter, „wo ich so viele Rollen gesungen habe und singen werde“. Bei der Gelegenheit bedankte er sich bei seinen Eltern und seiner Familie, aber auch bei seiner Heimat Wales, die ihm diese Karriere erst ermöglicht habe.

Hannes Jaenicke – Kulturpreis besonderes gesellschaftliches Engagement

Neben Kulturschaffenden werden vom Europäischen Kulturforum seit einigen Jahren Preise für das zivilgesellschaftliche Engagement verliehen. Mit Hannes Jaenicke wurde ein erfolgreicher Schauspieler ausgezeichnet, der sich nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für vielfältige soziale Projekte einsetzt. Laudatorin Barbara Meier, als Fair-Fashion-Botschafterin selbst äußerst engagiert, lobte Jaenicke dafür, „unbequeme Wahrheiten zu uns ins Wohnzimmer zu holen, woraus wir sie gern verdrängen würden“. Der Geehrte, der seit Jahren vortrefflich die Kunst mit dem Engagement zu verbinden weiß, bedankte sich sinnreich mit einem Dostojewski-Zitat: „Das Einzige, was die Welt retten kann, ist die Schönheit.“

Das experimentierfreudige Duo Yello – Geräusche werden Musik

Sie gelten noch immer als Pioniere der elektronischen Popmusik: das Schweizer Musiker-Duo Yello aus Dieter Meier und Boris Blank begeistert seit den 70er Jahren Generationen von Fans, die immer wieder nachwachsen. Doch speziell Meier ist weit mehr als „nur“ Musiker: Er begann seine berufliche Laufbahn als Performance-Künstler und experimenteller Filmemacher. Ihren Kulturpreis in der Sparte Musik erhielt das Duo jedoch für seine beispiellose Karriere, die 1978 in ihrer Heimatstadt Zürich begann. Ganz im humoristischen und wohl auch ein klein wenig selbstironischen Geist führten die beiden berühmten Musiker gleich auf der Bühne ihre Kreativität vor, indem sie einige verbale Versatzstücke mit digitaler Technik zu einem hämmernden Beat verarbeiteten und dazu wiederum selbst performten – die Basis ihres immensen Erfolges, der sie sogar bis ins Museum of Modern Art nach New York brachte. Dass sie ausgerechnet in der Tonhalle Zürich dafür ausgezeichnet wurden, rührte die beiden tief: „Schließlich haben wir ja mal als Punkband angefangen“, flunkerte Meier.

Ausnahmecellistin Sol Gabetta – Die Sonne im Herzen

Allein der Name klingt wie Musik: Sol Gabetta. Dabei verdient festgehalten zu werden: Es ist der richtige Name der Ausnahmecellistin aus Argentinien, die seit vielen Jahren in der Schweiz wohnt. Und die Übersetzung könnte treffender nicht sein: Die Frohnatur macht der Sonne alle Ehre. Als ihr Cellospiel das erste Mal am Basler Konservatorium zu hören war, erinnerte sich Laudator Stephan Schmidt, war es eine „künstlerische Lichtgestalt, die die Bühne betrat“. Und so sagt Gabetta, die durchaus um ihre äußeren Reize weiß, dass es direkt ihre Seele sei, die die Leute berührt. „Aus ihr kommt die Musik geschossen.“ Ihre interpretatorische Treffsicherheit ist es wohl auch, die ihre Kritiker so ins Schwärmen geraten lässt. Und was könnte schöner sein, als einen Preis in der Wahlheimat zu erhalten? Die Cellistin dankte: „Europa ist mein Zuhause geworden.“

Niclas Castello – Kunstgeschichte neu erschaffen

Es waren große Worte des Kritikers Dieter Buchhart: „Heute wird ein Künstler geehrt, der die Kunstgeschichte buchstäblich vernichtet hat, um diese neu zu erschaffen; er ist ein Vordenker zwischen unserer realen Welt und unserer virtuellen Welt; er sieht, was kommen wird, und hat dabei unsere Gegenwart im Auge.“ Der aus Thüringen stammende und in der Berliner Street-Art-Szene großgewordene Konzeptkünstler Niclas Castello hatte gerade erst einen weiteren Meilenstein seines künstlerischen Schaffens gesetzt. Worauf sich sein Laudator bezog, ist bei einer Kantenlänge von 50 Zentimetern 186 Kilo und zehn Millionen Euro schwer – „The Castello CUBE“ machte Schlagzeilen. Dieser Würfel aus purem Gold wurde eines schönen Februarmorgens im New Yorker Central Park aufgestellt, reiste zur Kunstbiennale nach Venedig und anschließend aus Sorge vor Anschlägen ins Depot. Bereits 2016 konnte Castello mit seinem Cube-Painting-Sculpture bahnbrechende Erfolge in der Kunstwelt feiern. Bis heute gilt das Werk als Ausdruck einer neuen Kunstgattung zwischen Skulptur und Malerei.

Förderer HALLMANN HOLDING: Kunst und Kultur als Basis für Verständigung

Dass gerade in Krisenzeiten Brückenbauer gebraucht werden, die eine Verständigung erst ermöglichen, betonte in besonderer Weise Klemens Hallmann, Hauptpartner, Präsentator und Kuratoriumsmitglied des Europäischen Kulturforums: „Kunst und Kultur sind ein Spiegel der Welt und wichtig für Mensch und Gesellschaft. Zusammen ermöglichen sie einen Dialog über Grenzen hinweg und bieten der Menschheit Hoffnung und Perspektiven – umso mehr in konfliktreichen Zeiten, wenn es gilt, Europa auf besondere Weise zu vereinen. Als Investor und Unternehmer sehe ich es als meine Aufgabe, Kunst und Kultur zu fördern, wo immer es möglich ist, um einen Ankerpunkt für die Gesellschaft sowie ein Stück Freiheit und Frieden zu ermöglichen.“